uwe kanning

"Schafe Hüten nur für Schafe? " - Replik zu Professor Kanning (Uni Osnabrück)

Lieber Herr Professor,

Ihre lustige Polemik gegen Management Training mit Schafherden hat mich sehr angesprochen, weil ich solche Aktivitäten sehr erfolgreich durchführe. Siehe hierzu mehr unter http://www.natuerlichteambuilding.de.

Wer es geschafft hat, sein Team so zu koordinieren, dass 1.000 Schafe vorbei an allen möglichen Hindernissen und Ablenkungen von A nach B kommen, der wird auch in seinem Job als Führungskraft Erfolg haben.   

Ich habe den Eindruck, dass Ihre (einzige?) Quelle ein Morgenmagazin-Bericht über eines meiner Trainings ist.

Auf der Basis eines 5-minütigen TV-Berichts und Wikipedia-Wissen lässt sich schwerlich ein Urteil geben.

Vielleicht könnte man sich auf diesen Minimalkonsens einigen - der Schäfer versteht nichts vom wissenschaftlichem Arbeiten, der Professor nichts von Schafen.

Das Schafe Hüten sieht beim Schäfer nur so leicht aus, weil ein guter Hütehund 10 Schäfer ersetzt.

In diesem Punkt gebe ich Ihnen vollkommen Recht: diese Trainings machen mehr Spaß als die X-te Powerpoint-Präsentation zum Thema. Vor allem muss bei der Führung der Schafherde das getan werden, was beim gemeinsamen Powerpoint-Gucken nur gepredigt wird.

Welcher Mensch denkt immer logisch und agiert immer besonnen und vernünftig? Werden wesentliche Entscheidungen nicht oft aus dem Bauch heraus getroffen. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts, aber auch aktuelle Debatten über Migration oder Hetzjagden auf Deutschlands Plätzen lassen fast nur den ernüchternden Schluss zu: Menschen besonders im Kollektiv sind oft nicht überwiegend Vernunft-getrieben, sondern neigen aus Ängstlichkeit zu extrem irrationalem und riskantem Verhalten. Ein bisschen Angst vor dem Erzfeind und patriotisch-fromme Sprüche haben vor nicht einmal 100 Jahren Millionen Europäer dazu gebracht, wie dumme Schafe in den Fleischwolf der Schützengräben des Ersten Weltkriegs zu marschieren. Und der Lerneffekt hielt nicht nicht lange...

Beim Schafherden führen drängen sich deutliche Analogien zu menschlichem Verhalten auf. Wer Herdentrieb googlet, fischt eine Menge wissenschaftlicher Studien zum Thema - gerade auch im Finanz- und Bankenbereich. Studien aus dem Umfeld von IWF oder EZB zur globalen Finanzkrise machen deutlich: auch die Investoren waren von Gier und dem Herdeninstinkt getrieben und rannten wie eine blöde Herde auf den Abgrund zu. Einzelne Außenseiter, die vor einem Irrweg gewarnt haben, wurden vom Hof gejagt.

Deshalb hat sich auch das Pferde-gestützte Management-Training durchgesetzt. So wie Pferde reagieren Schafe völlig authentisch und ungeschminkt auf den menschlichen Führungsanspruch. Sie kennen keine Bauchpinselei und folgen nur, wenn sie innere Entschlossenheit und Stärke spüren und überzeugt sind: diese Person kann mich auf grüne Auen führen. Einziges Problem: ein Pferd wiegt eine halbe Tonne und kann seinen Leader auch tot treten, während ein Schaf sich im harmlosen zweistelligen Kilobereich bewegt. Außerdem ist es deutlich aufregender, tausend Schafe zu führen als ein einzelnes Pferd.

Zu guter letzt eine Literaturempfehlung: der weltweit führende Tierverhaltensforscher Norbert Sachser von Ihrer Nachbaruni in Münster, revolutioniert in seinem aktuellen Buch (2018) "Der Mensch im Tier. Warum Tiere uns im Denken, Fühlen und Verhalten oft so ähnlich sind" unser Tierbild und weist nach: Tiere denken, fühlen, handeln wie Menschen und umgekehrt.